Es war Weltfrühchentag, als ich in der 23.+1 SSW mit Wehen und einem Zettel von der Frauenärztin, auf den sie „AKUT!“
geschrieben hatte, wie auf rohen Eiern ins Krankenhaus lief. Wehenhemmer, Cerclage und absolute Liegepflicht konnten die
Geburt jedoch nicht aufhalten, und so wurde unsere Tochter 24 Stunden später per Notkaiserschnitt geholt. 540 Gramm wog
sie, und da sie die ÄrztInnen offenbar mit ihrem eindeutigen Lebenswillen beeindruckte, anscheinend sogar versucht
hatte, einen Atemzug zu nehmen, intubierten sie sie und bereiteten so den Weg für das Heranwachsen eines gesunden
Mädchens namens Mathilda.
In den ersten Tagen konnte ich kaum länger als zehn Minuten bei ihr sein, ohne meinen
Mann schon mal gar nicht. Der Blick durch die beschlagenen Scheiben in den abgedunkelten Inkubator, die Technik, dieses
Miniatur-Wesen – all das löste in mir keine Muttergefühle aus, mir war alles einfach nur fremd. Doch etwa nach einer
Woche hatten wir uns daran gewöhnt; wir wurden von den erfahrenen Pflegekräften liebevoll drauf vorbereitet, dass
Mathilda ein langer Weg bevorstehen würde und wir waren bereit, ihr täglich mit aller uns zur Verfügung stehenden
positiven Energie zur Seite zu stehen. Wir begrenzten sie, sangen für sie, känguruhten stundenlang, gaben ihr Milliliter
für Milliliter meine wertvolle Muttermilch, und pflegten einen freundlichen Kontakt mit dem Pflegepersonal, das sich so
toll um Mathilda kümmerte, wenn wir nicht da sein konnten.
Fünf Wochen bangten wir um den Zustand von Mathildas
Lunge, die entsprechend ihrer frühen Schwangerschaftswoche sehr schlecht aussah. Die richtige Entscheidung der Ärzte,
den Ductus operativ zu schließen, ließ eine Besserung ihres Gesamtzustands zu und der Wechsel von Tubus auf CPAP war nun
endlich erfolgreich. Nach sieben Lebenswochen beeindruckte sie uns mit einem Gewicht von 1000 Gramm und nach zehn Wochen
konnte sie mit einer ganz leichten Beatmungshilfe von der Intensivstation auf die Päppelstation verlegt werden.
Nun wuchs die Ungeduld in mir. Mathilda hatte schon so viel geschafft, so viele Hürden genommen, wie lange mussten wir
sie noch im Krankenhaus besuchen, anstatt sie zuhause in der Mitte unserer Familie haben zu können? Nach neun weiteren
Wochen, es war inzwischen zwei Wochen nach dem errechneten Geburtstermin, am Gründonnerstag 2018, packten wir sie
endlich mit ihren 3500 Gramm in unser Auto und konnten unser Glück kaum fassen.
Heute ist Mathilda zwei Jahre
alt und ein fröhliches und willensstarkes Mädchen. Sie ist immer noch eine kleine, zarte Minimaus, aber sehr kräftig und
fit und hat sämtliche Infekte, die sie in ihrem ersten langen Winter eingeholt haben, von Bronchitis über
Mandelentzündung bis Lungenentzündung, tapfer weggesteckt. Sie geht ihren eigenen Weg in ihrem eigenen Tempo und wir
feiern jeden Entwicklungsschritt mit ihr. Wir sind unglaublich stolz auf sie.